Normal denkender Bauer bin ich wahrscheinlich nicht, aber ich möchte zu der von Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner angestoßenen Diskussion meine Meinung als Bauer und Klimaschützer kundtun.

Es gibt viele Gesichtspunkte, wie sich während der letzten 50 Jahre das normale Denken geändert – in vielen Bereichen zum Glück geändert – hat.

Ich möchte meine Standpunkte aber aus der Perspektive eines Bauern darlegen, der schon 35 Jahren als Bauer lebt und sein normales Denken öfter geändert hat. Nicht weil ich so wankelmütig bin, nein, weil sich mein Umfeld (Wetter, Klima, gesetzliche Rahmenbedingungen) geändert hat.

Vor 35 Jahren konnten wir einen Teil unseres Waldes nur bei minus zehn Grad oder kälter befahren, weil lauter kleine Bäche durch diesen Wald ihre Spuren ziehen. Wir konnten mit sehr großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass wir mindestens zwei oder drei Wochen diese Kälte bekamen, um die Arbeiten zu erledigen. Inzwischen ist es so, dass wir in den letzten zehn Jahren kaum noch diese Verhältnisse vorfanden und ich mich darauf einstelle. Ich bewirtschafte diesen Wald nicht mehr und versuche, es positiv zu sehen und der Natur diesen Wald zurückzugeben.

Es war vor 35 Jahren auch ganz normal, dass im frisch geschlägerten Wald neue Fichten gepflanzt wurden. Heute zittere ich von Jahr zu Jahr, ob diese inzwischen stattlichen Bäume der Hitze, Trockenheit und dem Borkenkäfer standhalten und bin froh, dass wir zumindest in der Hälfte des Waldes schon andere Baumarten gepflanzt haben.

Auch auf meinen Feldern hat sich während der letzten 35 Jahre viel getan. Säte man den Mais damals (im oberösterreichischen Alpenvorland) um den ersten Mai, weil sonst Spätfrost oder sogar Schnee die jungen Maispfänzchen absterben ließen, so kann man in den 2020iger Jahren sogar schon ab Anfang April den Mais sähen, weil diese Gefahr schon ziemlich vernachlässigbar ist. Im Gegenteil, man sollte ihn schon so früh im Jahr sähen, weil man so die Winterfeuchte besser nutzt und der Mais in der sommerlichen Hitze schon Richtung Ernte blicken kann. Wie man an diesen wenigen Beispielen sieht, haben sich die klimatischen Rahmenbedingungen ordentlich geändert und sogar wir eher konservativen Bauen waren bereit, uns anzupassen und neu zu denken. Für dieses neue Denken wären wir damals für verrückt erklärt worden (so mancher wurde das wahrscheinlich auch).

Gerade, weil mir der Erhalt meiner Landwirtschaft sehr wichtig ist, kämpfe ich für ein neues normales Denken. Alle meine Standeskollegen sollten dafür kämpfen, unser Verhalten so zu ändern, dass unsere Kinder und Enkel unsere Höfe auch in Zukunft bewirtschaften können. Um das zu erreichen, müssen wir Bauern uns anpassen, aber noch viel wichtiger, die ganze Gesellschaft muss ihr normales Denken ändern. Vielleicht sollten wir wie vor 50 Jahren nur einmal in der Woche einen Sonntagsbraten essen, statt in den Urlaub zu fliegen, wieder den normalen Urlaub am österreichischen See verbringen und unseren Strom ganz selbstverständlich aus Windrädern und Photovoltaikanlagen beziehen – und nicht aus Gaskraftwerken.

Das und vieles mehr wird es brauchen, wenn es auch in 50 Jahren noch ganz normal sein soll, dass unser Essen von österreichischen Feldern kommt.

Jürgen Hutsteiner, Bauer aus Steyr